Schatteneltern - wenn Kinder ihre Eltern verstoßen

Verwaiste Eltern....

Wenn wir diesen Begriff hören, dann denken wir zuallererst an Eltern, die ein oder mehrere Kinder an den Tod verloren haben. Wie unerträglich dieser Schmerz sein muss, kann wahrscheinlich niemand nachvollziehen, der nicht schon selbst von so einem immens schweren Verlust getroffen wurde. Wenn ich als Mutter von drei Kindern nur daran denke, wird mir das Herz schwer, es würde höchstwahrscheinlich, nein ganz sicher, zerbrechen. Das Leben wäre nie wieder wie es davor gewesen wäre. Niemals sollte ein Kind vor den Eltern gehen müssen. Leider können wir das Leben dahingehend nicht beeinflussen, möchte hier aber auch nicht von einer höheren Stelle sprechen, die die Entscheidung darüber trägt. Krankheiten, Unfälle, Gewalttaten sind die ersten Gründe die mir einfallen, die Eltern zu Waisen im umgekehrten Sinn machen würden. Jedoch ist bei all dieser Tragik eines gewiss, diese Kinder haben ihre Eltern nicht freiwillig verlassen.

Es gibt aber noch eine andere Gruppe verwaister Eltern. Eltern die von ihren Kindern verstoßen wurden. Sie haben noch nie davon gehört? Doch es gibt sie. Unzählige Schicksale. Warum und wieso Kindern ihre Eltern verstoßen, welche Gründe Kinder haben diesen Schritt zu gehen, möchte ich an dieser Stelle gar nicht erklären. Konstruieren wir erstmal eine Geschichte. Die genannten Personen sind frei erfunden, die Geschichte ist nicht genau so aber so ähnlich passiert. Machen Sie sich am Ende der Geschichte ihren eigenen Reim darauf, welche Gründe dieser Geschichte zu Grunde liegen. 

Ein Mädchen, nennen wir sie Klara, wächst gemeinsam mit ihrer älteren Schwester Melanie, auf dem Land im Haus ihrer beider Eltern auf. Der Vater ein Beamter, die Mutter eine Verwaltungsangestellte mit Halbtagsstelle, tun von Anfang an alles damit es ihren Kindern gut geht. Das Haus ist noch nicht abbezahlt, jedoch verdienen beide Elternteile genug um sich die Raten leisten zu können und keine großen Schulden machen zu müssen. Beide Schwangerschaften verliefen ohne Komplikationen, die Kinder sind von Geburt an unauffällig, entsprechen der psychischen als auch physischen Entwicklungsnorm, werden weder geschlagen noch missbraucht, erhalten eine gute Erziehung und beide Eltern kümmern sich entsprechend um die Belange der Kinder. Der Vater trinkt ab und an gern ein Feierabendbier oder am Wochenende gemeinsam mit der Mutter eine Flasche guten Weines. Die Eltern streiten kaum und wenn tun sie es nicht vor den Kindern. Zankereien zwischen den Geschwistern halten sich im Rahmen und entsprechen dem Altern entsprechend der Norm. Im Sommer macht die Familie gemeinsam Urlaub, wohin sie fahren entscheiden sie gemeinsam mit den Kindern, schließlich sollen alle ihre Bedürfnisse ausleben können. Zu Weihnachten nimmt sich die Familie viel Zeit, die sie ua. mit Spieleabenden, Ausflügen zu den Verwandten oder Besuchen von Freunden nutzen. Die Familie ist eingebettet in eine Großfamilie mit Großeltern auf beiden Seiten, Onkeln, Tanten und Cousinen. Zu den anstehenden Familienfeierlichkeiten kommen alle zusammen, auch hier gibt es keine gröberen Streitereien oder Vorkommnisse. Die Eltern als auch die Kinder verfügen über gute soziale Kontakte und haben auch zu den Nachbarn ein gutes Verhältnis. Die Familie lebt nicht über ihre Verhältnisse, den Kindern mangelt es an nichts. Was gebraucht wird, wird auch angeschafft. Zu den Geburtstagen, Ostern oder Weihnachten erhalten die Kinder ein ihren Wünschen entsprechendes aber nicht überteuertes Geschenk. 

Beide Kinder sind später auch in Kindergarten und Schule unauffällig. Die Schwestern sind zu der Zeit 17 und 19, Klara besuchte das Gymnasium und Melanie studierte im ersten Jahr. Beide haben gute Noten und machen immer wieder Pläne über ihr weiteres Leben. Bis auf kleinere Reibereien oder Trotzphasen durch die Pubertät, zeigten sich bis dahin keine gröberen Auffälligkeiten oder Auseinandersetzungen in ihrer Geschwisterbeziehung. Alles in allem entspricht der Werdegang der Familie den in Österreich oder Deutschland gängigen Muster einer Durchschnittsfamilie. Es gibt also kein großes "Aha eh klar" und man würde meinen, es gäbe eigentlich keinen Grund warum diese Kinder irgendwann auffällig werden könnten. Wie gesagt, es zeigte sich in der Familie keine Abnormität, der auf etwas anderes hindeuten könnte. 

Und so könnte die Geschichte auch weitergehen bis zur Sendung von 4 Hochzeiten und 1 Traumreise, Tüll und Tränen oder ähnliches. So aber erhielt die Mutter eines Tages einen Anruf aus der Schule, fiel zuerst aus allen Wolken und dann in den Schockzustand. Die Schule wollte sich nur erkundigen ob es Klara - die jüngere Schwester - denn schon besser gehen würde und ob sie denn bald wieder in die Schule kommen würde. Die Lehrer und auch die Schüler würden sich inzwischen große Sorgen um Klara machen, da sie schon seit gut drei Wochen nicht mehr in der Schule gewesen sei. Ich denke da würden alle Eltern erstmal mit ungläubigen Blick und weit aufgerissenen Augen da sitzen und hoffen sie würden sich diese groteske Situation nur einbilden oder besser noch, träumen. In diesem Fall entsprach sie jedoch der brutalen Realität. Jetzt müssen Sie sich liebe Leser erstmal vorstellen, die die Schulkinder haben tun sich da natürlich leichter, man sagt ihnen ihr Kind würde seit drei Wochen nicht in die Schule kommen, sie aber sitzen jeden Tag gemeinsam am Frühstückstisch, beide Mädchen verlassen um 7 Uhr das Haus um in die Schule zu gehen. Nichts deutet darauf hin, das irgendetwas anders wäre. Klar die Mädchen verbrachten ab und an die Nacht bei Freunden, meist jedoch am Wochenende. Wo also war Klara während dieser ganzen Zeit und vor allem - bei wem? 

Schließlich informiert die Mutter den Vater, dann befragen beide die ältere Tochter Melanie. Diese hat zwar bemerkt, das sich Klara irgendwie verändert und zurückgezogen hätte, wisse aber auch nichts näheres. Bei den Freunden haben sie auch kein Glück, erfahren aber das Klara den Kontakt zu allen aus einem unerfindlichen Grund abgebrochen hätte. Sie telefonieren auch mit der Verwandtschaft, in der Hoffnung irgendjemand wisse mehr über den möglichen Aufenthalt von Klara. Aber auch hier stoßen sie nur auf Verwunderung. Als Klara schließlich nach Hause kommt, konfrontieren die Eltern sie mit der Situation, in der Hoffnung endlich zu erfahren, was eigentlich los sei. Doch Klara reagiert, entgegen der Hoffnung der Eltern, extrem aggressiv, ablehnend und wütend, man könnte auch sagen sehr distanziert und kalt. Sie erkennen ihr eigenes Kind nicht wieder. Selbst Melanies Versuch Klara zu besänftigen bringt nichts, auch sie dringt nicht zu ihrer Schwester durch. Schließlich erklärt Klara sie würde sich nicht länger bevormunden lassen, es sei schließlich ihr Leben und nur sie würde ab jetzt bestimmen wie sie leben würde und nein sie nehme keine Drogen und sei auch nicht schwanger. Sie habe jedoch beschlossen die Schule zu verlassen und würde jetzt ihre Sachen packen und ausziehen. Rummmmms. Für alle Eltern die bis jetzt noch nicht in Ohnmacht gefallen wären, spätestens jetzt wäre es wahrscheinlich soweit. 

Wir fassen jetzt einmal zusammen: Es zeigten sich über die Jahre keine Auffälligkeiten in der Familie, Schule oder Umfeld. Beide haben zu den Eltern ein vermeintlich gutes Verhältnis, haben gute soziale Kontakte und Pläne für das spätere Leben. Es gibt weder Geldsorgen, Gewalt noch Suchterkrankungen oder ähnliche Reibungspunkte innerhalb der Familie. Was also war geschehen? Welche Schlüsse würden Sie liebe Leser bis jetzt aus dieser Geschichte ziehen? War die Familie zu schön um wahr zu sein oder haben sich die Eltern was vorgemacht und ihre Töchter waren nicht die, für die sie gehalten haben oder gab es vielleicht eine sehr subtile Form der Gewalt und Klara hat irgendwann nicht mehr mitgespielt? Was bringt ein 17 jähriges Mädchen dazu, sich von heute auf morgen gegen die Eltern und vor vollendete Tatsachen zu stellen? Vor allem wovon sollte sie leben oder dachte sie die Eltern würden ihr dieses, von ihr in frohen Farben ausgemalte neue Leben ohne weiteres finanzieren und das kurz vorm Abitur. Vielleicht hegt man im  Hintergrund auch die stille Hoffnung dies sei nur eine Phase und die würde ja schließlich irgendwann wieder vorüber gehen. Das wäre natürlich das beste Ende für alle Beteiligten gewesen, so war dem aber nicht. 

Was zu diesem Zeitpunkt keiner der Familie wusste, war, das Klara aufgrund eines banalen aber für sie peinlichen Vorfalles in der Schule, dort aus Scham nicht mehr hinwollte. Anstatt sich jedoch ihren Eltern oder ihrer Schwester anzuvertrauen hat sie erst eine Entschuldigung ihrer Eltern und später eine Arztbestätigung für ihr Fernbleiben gefälscht. So streifte sie in der Schulzeit stundenlang durch die Stadt und hoffte die Situation würde sich irgendwie in Luft auflösen. Dies und was danach passierte, hat Klara aber erst viele Jahre später ihrer Schwester anvertraut. Jedenfalls lernte Klara auf ihren Streifzügen durch die Stadt irgendwann einen jungen Mann kennen. Und nein er war nicht Drogenabhängig, sondern kam ganz im Gegenteil aus einem sehr guten Haus. Der junge Mann, wir nennen ihn jetzt Klaus,  studierte zu dem Zeitpunkt bereits Medizin und würde später die gutgehende Praxis seines Vaters übernehmen. Klaus war anders als die jungen Männer in diesem Alter, er  besaß Charisma und Charme, war sehr weltoffen, zeigte sich ungemein erfahren sogar großzügig und Klara war von Anfang an fasziniert von ihm. Er besaß eine eigene große Wohnung, hatte ein tolles Auto und ein paar faszinierende Hobbies. Er zog Klara von Anfang an in seinen Bann. Heute würde man sagen sie war ihm hörig, denn der junge Mann wollte Klara ganz für sich und sie mit niemand anderen mehr teilen. Nicht einmal mehr mit ihrer Familie oder Freunden. Klara zog also bei ihrer Familie aus und bei dem jungen Mann ein. Sie brach die Schule und erstmals auch jeden Kontakt zu ihrer Familie ab. Schließlich bot ihr Klaus was sie zum Leben brauchte und auch alles darüberhinaus. Nur zu ihrer Schwester Melanie hielt Klara losen Kontakt und auch nur solange Melanie ihr Verhalten nicht in Frage stellen würde. Die Familie ihrerseits hoffte immer noch auf ein Einlenken von Klara und das das Kind doch noch zur Vernunft kommen würde. 

Als Klara 18 und somit zumindest vor dem Gesetz erwachsen wurde, bekamen ihre Eltern eine Geburtstagseinladung. Es sollte eine große Feier zu Ehren des Geburtstagskindes stattfinden. Dadurch schöpften alle wieder neue Hoffnung das sich die Geschichte vielleicht doch noch zum guten wenden würde. Jedoch würden sie diese Feier ihr Leben lang nicht mehr vergessen. Die Freude der Eltern ihr Kind, das sie seit einem Jahr nicht mehr gesehen hatten, in die Arme zu schließen, währte nur kurz und erwies sich als Einbahnstraße. Klara hatte sich nicht nur äußerlich verändert, sie zeigte sich auch sehr kühl und distanziert. Sie gab ihren Eltern lediglich die Hand und verweigerte jedes weitere Wort. Dem nicht genug, denn sie konfrontierte sie auch gleich sehr schamlos mit all dem Luxus der sie umgab und dem was Klaus ihr nicht alles bieten konnte. Sie stellte ihre Eltern auch niemanden vor, ganz als ob sie sich schämen würde. Schließlich sagt sie wie nebenbei, das sie noch nie in ihrem Leben so glücklich gewesen wäre und außerdem würden sie und Klaus in zwei Wochen heiraten, drückte ihren sprachlosen Eltern und ihrer Schwester emotionslos eine Einladung in die Hand und verschwand zu ihren Gästen. Später einmal erfuhren die Eltern das Klara sie eigentlich gar nicht einladen wollte, sondern dies nur auf gutes Zureden ihrer Schwester gemacht hätte. Genau so hat sie sich zwei Wochen später ihren Eltern gegenüber auch auf der Hochzeit verhalten. Die Braut wurde vom Schwiegervater in die Kirche geführt, der zukünftige Schwiegersohn sowie dessen Familie ignorierten sie geflissentlich, sie wurden niemanden vorgestellt, mussten abseits der Tafel bei fremden Menschen sitzen, durften nicht mit aufs Foto und das Geschenk der Eltern wurde einfach lieblos zur Seite gelegt. Als Melanie ihre traurigen Eltern sah und das ganze Drama nicht mehr aushalten und mit ansehen konnte, zog sie ihre Schwester auf die Seite und machte ihr eine Szene. Aber wer denkt das die gute Klara daraufhin zur Vernunft gekommen wäre oder sich entschuldigt hätte, hat weit gefehlt. Die Sache eskalierte so derart, das Klara und Klaus die Eltern und Schwester auf sehr harsche Art und Weise hinausgeworfen haben. Versehen mit der Aufforderung sich nie wieder in ihre Nähe oder die von Klara zu begeben und verbaten sich für die Zukunft jegliche Kontaktaufnahme. Sie wollten beide nichts mehr mit ihnen zu tun haben, denn schließlich könnten sie sich nicht für sie freuen und hätten ihnen letztendlich jetzt auch noch die schöne Feier versaut. Sie würde sich für ihre Eltern schämen und dann bekam auch noch Melanie ihr Fett weg, weil sie sie schließlich überredet hätte die Eltern einzuladen. Hätte Klara ihren Eltern noch ins Gesicht geschlagen, wäre es auch nicht mehr viel schlimmer für sie gewesen. Sie erkannten ihre eigene Tochter nicht wieder und fragten sich, auch Jahre später, immer wieder was sie nur getan hätten, das sich ihr eigen Fleisch und Blut ihnen gegenüber so verhielt. 

Klara hielt ihr Wort. Sie bekam zwei Kinder die ihre Großeltern jedoch noch nie gesehen haben. Klara hat ihnen nämlich erzählt ihre Eltern würden nicht mehr leben. Sie hat ihre Eltern die ihr nie etwas getan haben, komplett aus ihrem Leben verbannt, sie verstoßen. Nur zu Melanie hat sie ab und zu Kontakt aber auch nur solange diese nicht damit anfängt die Eltern ins Spiel zu bringen. Für die Eltern waren die letzen Jahre eine sehr harte Zeit und es hat vor allem bei der Mutter nicht nur zu großen gesundheitlichen Problemen sondern auch zu einer tiefen Depression geführt. Wie geht man damit um wenn das eigene Kind nichts mehr mit einem zu tun haben will? Wenn man die Enkelkinder nicht sehen darf und nur ab und zu ein Foto durch die Schwester zu sehen bekommt. Das man für die Enkelkinder eigentlich tot ist....

Natürlich ist diese Geschichte konstruiert, aber genau so oder so ähnlich hat sie sich schon viel zu oft ereignet. Selbst mir ist so etwas vor Jahren mit meiner eigenen Tochter passiert. Wir hatten jahrelang keinen Kontakt und ich hätte auch nicht gedacht, dass sich das jemals wieder ändern würde. Die Gründe sind vielfältig: Partner, Ehepartner, falsche Freunde, Sucht, Religion, der geschiedene Elternteil der dies aus Rache tut etc. Der Schmerz ist nahezu unerträglich und du findest dich in einem Alptraum wieder. Zu wissen da draußen ist irgendwo dein Kind und du darfst keinen Kontakt haben, es mitunter nie wieder sehen, nicht an dessen Leben oder der Enkelkinder teilhaben. Ich bin während dieser harten Zeit - meine Geschichte, obwohl ich nicht mehr daran geglaubt habe, hat sich Gott sei Dank vor 2 Jahren zum Guten gewendet - im Internet auf viele ähnliche Geschichten gestoßen und letztendlich in einem Forum gelandet. Es gibt unglaublich viele Eltern die ihre Kinder, manche sogar mehrere, auf diese sehr schmerzliche Art und Weise verloren haben und somit zu Schatteneltern wurden. Dabei habe ich auch eine ganz besondere Mutter kennengelernt, die ihren Schmerz in einem autobiografischen Roman verarbeitet hat. Ihr Name ist Joana Peters. In ihrem Roman "Joana Peter´s pures Leben, ohne Wenn und Aber - Stärken und Schwächen verlassener Eltern", beschreibt Joana unter anderem wie sie von ihrer Tochter verlassen wurde, und daraufhin in eine tiefe Depression verfiel. Joana Peters hat sich als Autorin bereits einen Namen gemacht und sich auf autobiografische Romane spezialisiert. Immer wieder treten Frauen an sie heran um deren besonderes Schicksal in einem autobiografischen Werk zu verfassen. Ihr neuestes Werk "Verlassene Mütter im Schatten der Vergangenheit" handelt von drei Frauenschicksalen die von ihren eigenen Kindern verlassen und verstoßen wurden. Der Roman wird demnächst im Handel erhältlich sein. Liebe Joana ich wünsche Dir auf diesem Weg alles alles Gute für dein neueste Werk und danke dir für die Hilfe die du mir und anderen Frauen und Müttern zuteil hast werden lassen. 

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